Als “Kirche des unterirdischen Himmels“ bezeichnete der Schriftsteller Martin Walser einst das Deutsche Literaturarchiv Marbach. Für Autoren und Forschende scheint es oft sogar der Himmel selbst zu sein; ein wahres Paradies an Wissensfülle, mit Schätzen, die ihresgleichen suchen. Zu den Beständen des Literaturarchivs zählen unikale Schriftstücke, Bilder und Objekte zur deutschsprachigen Literatur und Ideengeschichte vom 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Darunter zum Beispiel die Nachlässe von Rainer Maria Rilke, Hermann Hesse und Heinrich Mann sowie bedeutende Materialien zu Leben und Werk von Franz Kafka.
Die Handschriften-Sammlung des Archivs enthält mehr als 1.400 Nach- und Vorlässe von Gelehrten, Philosophen und Germanisten. Neben persönlichen Archiven bilden Redaktions- und Verlagsarchive einen weiteren wichtigen Schwerpunkt. Das Literaturarchiv ist auf seinem Gebiet eine der renommiertesten Institutionen Europas. Es verwaltet das wertvolle Material nicht nur, sondern erschließt es und bietet es immer benutzer- und forschungsfreundlicher an, einen großen Teil inzwischen online.
„Archive dieser Art sind unser kollektives kulturelles Gedächtnis, und die Zusammenarbeit zwischen ihnen und ihren Nutzern bildet die Grundlage der germanistischen Forschung“, so Cornelius Brandi, der Vorstandsvorsitzende der Bodo Röhr Stiftung. „Sie leisten einen unschätzbaren Beitrag zur Erforschung und Fortentwicklung unserer Sprache und unserer Sprachkultur. Um dies zu würdigen und zu fördern, haben wir den „Preis für Archivforschung“ gestiftet und im letzten Jahr erstmals verliehen. Er ist mit 10.000 Euro dotiert und zeichnet junge Wissenschaftler aus, die mit dem Material eines bestimmten Archivs besonders erfolgreich gearbeitet haben.“
Erste Preisträgerin ist die Literaturwissenschaftlerin Dr. Ines Barner von der ETH Zürich. In ihrer herausragenden Studie „Von anderer Hand“ leuchtet sie mit umfangreichem Zitatmaterial die komplexe Beziehung zwischen Autor und Lektor aus. Indirekt mit ihr geehrt wurde das Marbacher Archiv, dessen Bestände die Grundlage für den zentralen Teil ihrer Arbeit bildeten. So lag es nahe, dass der Preis in einer Feierstunde dort übergeben wurde.
Weitere Preisvergaben an Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, die an führenden Zentren für kultur- und sprachgeschichtliche Forschung in Deutschland arbeiten, werden folgen.