Eine Hamburgensie der besonderen Art, einst ein bahnbrechendes Projekt, heute zeitgemäßer und notwendiger denn je – das ist das Ledigenheim in der Rehhoffstraße in der Neustadt. Als das Haus in direkter Hafennähe kurz vor dem Ersten Weltkrieg eröffnet wurde, war es eine Antwort auf drängende soziale Probleme der wachsenden Metropole. Es bot Unterkunft für alleinstehende Männer, oft Seeleute, Hafenarbeiter oder Handwerker, die ins boomende Hamburg strömten, wo sie zwar Arbeit fanden, mit ihren geringen Löhnen aber kaum mehr menschenwürdigen Wohnraum bezahlen konnten. Heute, mit rasant steigenden Mieten, zunehmender Vereinsamung und nahezu unerschwinglich gewordenem innerstädtischem Wohnraum, ist eine Institution wie das Ledigenheim wieder ebenso aktuell wie zur Kaiserzeit. Das schöne Rotklinkerhaus in der Rehhoffstraße, in dem 75 Männer leben, ist das letzte seiner Art in Hamburg und hat von Anfang an eine Besonderheit gehabt: Es ist keine bloße Unterkunft, sondern ein echtes Zuhause und bietet Halt, Stabilität und einen sicheren Schutzraum auch für die, die sonst nicht vom Glück begünstigt wurden. Trotzdem schien seine Zukunft lange gefährdet, bis es der Stiftung Ros 2017 mit großem Engagement gelang, bei den zuständigen Hamburger Behörden erste Schritte für eine künftige Sanierung einzuleiten. Inzwischen gibt es hier nicht nur ein gewachsenes Mehrgenerationenprojekt, eine selbstverwaltete, solidarische und tragfähige Hausgemeinschaft, sondern auch einen lebendigen Anziehungspunkt für das ganze Quartier. Veranstaltungen wie Lesungen und Konzerte sorgen für ein vielfältiges kulturelles Angebot, das nicht nur von den Bewohnern geschätzt und rege angenommen wird.
Schon das Gebäude ist ein wahres, wichtiges Stück Hamburg, ein mit Leben gefülltes Denkmal. Es steht gleichermaßen für die Sozial- und Architekturgeschichte der Stadt, in diesem Fall für die umfassende Sanierung der Neustadt nach der Choleraepidermie von 1892. 1912/13 wurde das Ledigenheim als Teil einer größeren Wohnanlage vom Bauverein zu Hamburg errichtet. Wilhelm Behrens und Ernst Vincenz, der den Hamburger Sozialbau entscheidend modernisierte und mit prägte, schufen hier einen Gegenentwurf zu den engen, vollgestopften und hygienisch katastrophalen Gängevierteln, die das Quartier bis dahin dominiert hatten. Von Anfang an war es ein nicht nur architektonisch, sondern auch sozial ambitioniertes Projekt. Zum familienähnlichen Rahmen für seine Bewohner kam auch ein kulturelles Angebot, was 1912 bedeutete: eine Bibliothek samt Lesesaal. Die für damalige Verhältnisse hochwertige Innenausstattung des Gebäudes hat zum Teil bis heute überlebt.
Für die Bodo Röhr Stiftung ist das Ledigenheim ein idealer Partner. In seinem geschichtsträchtigen Rotklinkerbau mitten im Herzen Hamburgs vereint es perfekt die Vorstellungen und Zielvorgaben unseres Stifters: Denkmalschutz, soziales Engagement und, mit dem attraktiven Veranstaltungsangebot, einen beispielhaften Einsatz für Kultur und Sprache. Kurzum: die Stiftung Ros und ihr Ledigenheim sind ein Musterbeispiel für das, was die Hamburger Zivilgesellschaft immer ausgezeichnet hat: Freiheit, Verantwortung und Großzügigkeit. Doch die nächste Herausforderung wartet schon: Das Gebäude mit der schönen, zeittypisch verzierten Rotklinkerfassade muss umfassend saniert werden. Die wertvolle historische Bausubstanz soll dabei mit einem modernen Wohnangebot kombiniert und heutigen Anforderungen angepasst werden. Also wieder reichlich Arbeit, die sich in jeder Beziehung lohnen wird.